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Regatta-Segeln - Das Yardstick-System

Was ist das Yardstick-System?

Auf dieser Seite erklären wir, warum es das Yardstick-System gibt und wie es grundsätzlich funktioniert. Außerdem gehen wir auf die Besonderheiten des Chiemsee-Yardsticks (im Unterschied zum DSV-Yardstick) ein.

1. Einleitung: Unterschiedliche Regatta-Arten

Eine Regatta ist eine organisierte Sport-Veranstaltung, bei der mehrere Schiffe in einer oder mehreren einzelnen Wettfahrten "um die Wette segeln".

Es gibt dabei verschiedene Arten (Ausprägungen) hinsichtlich der teilnehmenden Schiffe. Die wesentliche Unterscheidung ist:

  1. Es treten nur baugleiche Schiffe oder Boote gegeneinander an.
    - oder -
  2. Es treten Schiffe und Boote unterschiedlicher Bauart und unterschiedlicher Segelleistungen gegeneinander an.

Fall 1 ist relativ einfach. Es gibt eine Reihe von Vorschriften, die sicher stellen, dass alle Schiffe tatsächlich gleich sind bzw. vergleichbar sind:

2. Die Klassen-Regatten

Die Boote, die in solchen Regatten gegeneinander segeln, gehören in der Regel jeweils einer sog. "Klasse" an. Für die meisten dieser Klassen gibt eine sog. "Klassenvereinigung". Das ist eine Art Vereins-Dachverband, der sich um die Regularien und Vorschriften für die Regatten der jeweiligen Boots-Klasse kümmert. Diese Regularien und Vorschriften werden Klassenregeln genannt.

In diesen Klassenregeln werden u.a. Boots-Abmessung, Abmessungen der Segel, erlaubte Segel, Crew-Stärke, vorgeschriebene und erlaubte Ausrüstung, und mancherlei mehr verbindlich festgeschrieben.

Eine besondere Gruppe innerhalb dieser Klassen sind die Olympischen Klassen.

Laser-Regatta auf dem Chiemsee
Beispiel: Olympia-Qualifikation der Laser-Klasse auf dem Chiemsee, ACCW 2007
Foto: Tilo Klesper

Da die Voraussetzungen hinsichtlich der Beschaffenheit der Boote und des Reviers für alle Teilnehmer gleich sind, zählt für die Platzierung einer Wettfahrt schlicht die gesegelte Zeit. Das ist die von der Wettfahrtleitung (bzw. dem Team) gemessene Zeit zwischen Start und dem jeweiligen Zieldurchgang.

Viele Klassen (dazu zählen insbesondere die olympischen Klassen) richten eigene Meisterschaften aus. Dazu ist die Teilnahme an einer Mindestzahl an einzelnen Regatten übers Jahr erforderlich. Eine solche Regatta wird "Ranglisten-Regatta" genannt.

Ganz anders ist es bei den sog. Yardstick-Regatten.

3. Regatten mit unterschiedlichen Klassen und Boots-Typen

Hier segeln höchst unterschiedliche Boots-Typen um die Wette, angefangen von der Jolle (z.B. Laser oder 420er) bis zum High-Performace-Racer. Trotzdem sollen alle Teilnehmer eine faire Chance auf eine vergleichbare Platzierung bei gleicher Leistung haben. Anders ausgedrückt: die beste Jolle soll die gleiche Chance auf den 1. Platz haben wie der Racer-Kat. (Gleiche seglerische Leistung vorausgesetzt.)

Die technischen Parameter der verschiedenen Bootstypen (z.B. die Rumpfgeschwindigkeit) sind als Grundlage zur Vergleichbarkeit nicht geeignet, da unter den realen Regatta-Bedingungen (Wind und andere revierspezifische Einflüsse) die verschiedenen Bootstypen ihr Leistungspotential sehr unterschiedlich entfalten. Leichte Boote und reine "Renn-Ziegen", optimiert für Leichtwindbedingungen, lassen bei den typischen Bedingungen eines durchschnittlichen Regattatags z.B. einen älteren IOR-Vierteltonner (davon gibt es Chiemsee eine Menge, wie etwa die Delanta) unverhältnismäßig weit hinter sich. Denn die älteren seegängigen Yachten brauchen viel mehr Wind, um ihre Rumpfgeschwindigkeit zu erreichen.

Es wird also ein anderes Verfahren benötigt, um unter realen, für alle Teilnehmer identischen Bedingungen die verschiedenen Boots-Typen chancengleich zu werten.

chiemsee_einhand2015_095_444x198_90.jpg
Beispiel: Yst. 113 (Laser) neben Yst. 98 (Condor 9), Einhand-Regatta 2015 (Yst.)
Foto: Tilo Klesper

Um eine solche Vergleichbarkeit herzustellen, wird ein mathematisches Verfahren angewendet. Jeder Boots-Klasse (und jedem klassenlosen Bootstyp) wird eine Art "Handycap" zugeordnet. Die gesegelte Zeit (also die gemessene Zeit) wird mit diesem "Handycap" in die sog. "berechnete Zeit" umgerechnet. Die Platzierung erfolgt dann nach dieser berechneten Zeit. Dabei soll die tatsächliche und nicht die theoretisch bzw. technisch mögliche Leistungsfähigkeit unter den realen Bedingungen abgebildet werden.

Das allgemein gebräuchliche Verfahren hierfür, das auch am Chiemsee angewendet wird, ist das "Yardstick-System". Der individuelle Verrechnungs-Faktor für die einzelnen Boots-Typen heißt "Yardstick-Zahl".

Die Methode zur Ermittlung der Yardstick-Zahlen für die einzelnen Boots-Typen basiert auf folgenden Überlegungen:

Es gibt weitere Einteilungs- und Berechnungs-Methoden. Im Bereich des Hochsee-Segelns werden die Verfahren des ORC und das IMS angewendet. Für Ostsee und Binnenreviere ist das Yardstick-System jedoch praxistauglicher.

4. Das Bewertungssystem beim Yardstick

Eine Yardstick-Regatta wird also nach der "berechneten Zeit" gewertet. Es gibt dabei zwei verschiedene Methoden, um die berechnete Zeit aus der gesegelten Zeit zu ermitteln:

  1. Das "Zeit/Zeit-System" (das übliche System, auch am Chiemsee)
  2. Das "Zeit/Weg-System" (am Chiemsee nicht üblich)
Für das gebräuchliche "Zeit/Zeit-System" wird folgende Formel angewendet:

Berechnete Zeit = gesegelte Zeit * 100 / Yardstickzahl

Ein Beispiel dazu: Meine eigene Delanta hat (am Chiemsee) die Yardstick-Zahl 116. Erreiche ich nach z.B. 03:12:30 (hms) das Ziel, dann ist meine berechnete Zeit 03:12:30 * 100 / 116 = 02:45:57 (hms). Der vielfache Champion Helmut Haller ist mit seiner Impression (Yardstick 85) schon nach 02:20:10 (hms) im Ziel. Seine berechnete Zeit ist 02:44:54 (hms). Damit ist er immer noch besser als ich (Mist), aber er ist eben auch der Champ.

Neben der unterschiedlichen Segel-Leistung der verschiedenen Bootsklassen gibt es aber auch bei ein und demselben Bootstyp individuelle Unterschiede. Diese können einerseits konstruktiver Art sein (Motor/kein Motor, Faltpropeller/Schraube, Normalkiel/Tiefkiel, Binnenrigg/Fahrtenrigg etc.). Andererseits können Eigner andere Segel fahren als der Hersteller als Standard ausliefert (das betrifft insbesondere Yachten, die keinen Klassenregeln unterliegen). Und es gibt noch eine Menge weiterer Veränderungen. Alle diese müssen natürlich auch berücksichtigt werden, um eine gerechte Vergleichbarkeit herzustellen.

Diese Veränderungen gegenüber der Serienausrüstung werden mit Hilfe der sog. "Vergütungen" berücksichtigt. Bei Verbesserungen der Segelleistung (z.B. größere Segel, Faltpropeller statt Serie, Topp-Spinnaker statt 7/8-Spi etc.) werden festgelegte Punkte vom Standard-Yardstick des jeweiligen Bootstyps abgezogen. Das Schiff wird also als schneller eingestuft. Bei Verschlechterungen (Einbau eines Motors, Verzicht auf Spi etc.) werden festgelegte Punkte zur jeweiligen Yardstick-Zahl addiert. Das Schiff wird also als langsamer als die Serie eingestuft.

Alle Details zu den angesprochenen Punkten gibt es über die Links am Ende dieses Artikels. Kommen wir nun zum letzten Kapitel.

Bekanntlich ist der Deutsche Segler-Verband (DSV) der Dachverband der einzelnen Segel-Vereine. Er ist für die grundlegenden Richtlinien und Durchführungs-Bestimmungen aller Regatten verantwortlich, in deren Rahmen alle Ranglisten-Ragatten und alle öffentlich ausgeschriebenen Chiemsee-Regatten stattfinden. Der DSV führt daher auch die offiziell gültige Liste der Yardstick-Zahlen. Trotzdem gibt es am Chiemsee einen eigenen Chiemsee-Yardstick. Warum?

5. Der Chiemsee-Yardstick

Am Chiemsee herrschen oft andere Windbedingungen als in anderen Segel-Revieren. Während beispielsweise auf der Ostsee der Wind verlässlich gemäß der Wetterkarte mehr oder weniger stetig weht, ist er am Chiemsee ziemlich vielfältig in seinen Erscheinungen. Am sichersten ist diese Erfahrung: Bei einer unbestimmten Wetterlage kann eine Regatta gegen 11 Uhr mit gutem Wind gestartet werden. Ab 14 Uhr wird der Wind weniger, bis er gegen 16 Uhr völlig einschläft.

Die Racer sind bei einer Langstrecken-Regatta wie z.B. der Chiemsee-Rund bis 14 Uhr im Ziel vor Prien-Osternach angekommen, während die langsamen Teilnehmer noch von Seebruck auf Feldwies zuhalten. Der Wind wird weniger und weniger, und manchmal schaffen die benachteiligten Teilnehmer den Zieldurchgang bis 17 Uhr sogar gar nicht. Oder der vormittagliche Chiemsee-Ostwind verliert gegen den am Nachmittag sich durchsetzenden Westwind. Und obwohl es am Chiemsee durchaus auch sehr heftig wehen kann, finden die meisten Regatten doch eher bei Leichtwind-Bedingungen statt. Das Resultat ist in allen Fällen, dass die Berechnung nach den Yardstick-Zahlen des DSV nicht dem realen Regatta-Verlauf am Chiemsee gerecht wird.

Aus genau diesem Grund gibt es am Chiemsee einen eigenen Revier-Yardstick. Der Chiemsee-Yardstick berücksichtigt die konkreten Erfahrungen, die bei den Chiemsee-Regatten gewonnen werden. Rufen wir uns noch einmal ins Gedächtnis: Das Yardstick-System ist ein empirisches, auf langjährige statistische Erfahrung gestütztes System.

Um das Yardstick-System am Chiemsee zu koordinieren und um die Yardstick-Zahlen am Chiemsee zu pflegen, haben die Segel-Vereine am Chiemsee ein eigenes Gremium hierür gegründet: den Chiemsee-Yardstickausschuss. Dieser führt eine Liste mit den an Chiemsee-Regatten teilnehmenden Schiffen und deren Chiemsee-Yardstickzahlen. Neben den typ-gebundenen Yardstickzahlen für Konstruktions-Klassen und Yacht-Serientypen werden auch individuelle Schiffe aufgelistet, die aufgrund von Veränderungen von der Serie eine eigene, individuelle Yardstickzahl zugeordnet bekommen.

Yardstick-Gruppen Zusätzlich werden die einzelnen Schiffe in Gruppen eingeteilt. Über diese Gruppen können bei einer Regatta zusätzliche Gruppen-Wertungen vorgenommen werden. Bei der Chiemsee-Meisterschaft werden z.B. neben der Gesamtwertung weitere Preise für die Gruppenbesten vergeben. Die Gruppen des Chiemsee-Yardsticks sind im Screenshot rechts zu sehen.

Was aber ist mit einem Eigner, der mit einem nicht im Chiemsee-Yardstick gelisteten Schiff an Regatten teilnehmen möchte?

Für diesen Fall gibt es natürlich auch festgelegte Verfahren:

6. Bisher nicht im Chiemsee-Yardstick gelistete Schiffe

Gemäß den Vorgaben des DSV kann der jeweilige ausrichtende Verein bzw. der Wettfahrtleiter für nicht gelistete Schiffe eine sog. "Probezahl" vergeben. Die Liste des DSV führt dazu Yardstick-Zahlen für Konstruktionsklassen und Serien-Yachten, die hierzu herangezogen werden können. Das bedeutet jedoch Stress für den Wettfahrtleiter, und davon hat er bei einer Regatta ohnehin schon mehr als genug. Besser ist es, wenn sich neue Teilnehmer rechtzeitig vor der ersten Regatta-Meldung mit dem Chiemsee-Yardstickausschuss in Verbindung setzen und sich hier eine vorläufige Yardstick-Zahl zusichern lassen.

Nach der ersten Regatta (bzw. nach mehreren Regatten) kann eine verbesserte Yardstick-Zahl auf Grund der tatsächlich gesegelten Zeit ermittelt werden. Dazu wird die gesegelte Zeit des neuen Bootes (bzw. die mittlere gesegelte Zeit über mehrere Regatten) ins Verhältnis gesetzt zu der mittleren gesegelten Zeit einer Bootsklasse mit bereits vorhandener Yardstickzahl. Die Berechnung erfolgt nach folgendem Schema:

YS neues Boot = YS Vergleichsboot * gesegelte Zeit neues Boot / gesegelte Zeit Vergleichsboot

Eine eventuelle Neubewertung eines neuen Schiffs erfolgt zur jeweils kommenden Saison.

7. Katamarane

Für Katamarane gibt es ein ähnliches System wie den Yardstick, das aber etwas differenzierter aufgebaut ist. Das Catstick-System listet für jeden Bootstyp drei Catstickzahlen, für Schwach-, Mittel- und Starkwind. (Starkwind beim Catstick ist übrigens ein Wind ab 8 m/s, das ist für den Yachtsegler eine Frische Brise mit 5 Bft.)

Am Chiemsee haben die Katamarane, die an gemischten Regatten am Chiemsee teilnehmen, ihre eigene Yardstick-Zahl. Mit dieser werden sie bei den Yardstick-Regatten am Chiemsee auch gewertet. Bei den Sonderwertungen für einzelne Klassen und Gruppen kann je nach Ausschreibung auch die Catstickzahl verwendet werden.


Weiterführende Links:

Chiemsee-Yardstickausschuss
DSV-Yardstick 2017
PDF: DSV-Yardstickzahlen 2017 - Einführung in das System + Regeln
Catstick - derzeit keine Web-Präsenz


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